„Vermieten ist gut. Wenn die Chemie stimmt.“

16. Oktober 2022:

Ein Interview mit Anke Kötter, Rechtsanwältin in der Kanzlei Kötter-Kunsleben, und mit Sven Fischer, Geschäftsführer bei Glück Auf

Frau Kötter, Herr Fischer, kommt es oft vor, dass jemand eine Wohnung mietet und gar nicht vorhat, die Miete zu bezahlen?

Sven Fischer: „Das passiert immer wieder. Gerade in der Coronaphase konnten wir beobachten, wie Strohmänner gezielt nach Wohnungen suchen, in denen sie dann für eine gewisse Zeit illegale Geschäfte abwickeln.“

Worum geht es dabei genau?

Sven Fischer: „Zum Beispiel um den Handel mit Drogen, also das Dealen. Uns ist auch ein Fall bekannt, in dem jemand aus dem Rotlichtmilieu Wohnungen zum Zweck der Prostitution zum Schein angemietet hat. Macht er das in mehreren Wohneinheiten, kann es sich durchaus lohnen. Denn das Problem ist, bevor man dahinterkommt, sind die Beteiligten längst über alle Berge.“

Wie erfährt es ein Vermieter, wenn sein Eigentum so genutzt wird?

Sven Fischer: „In der Regel durch Nachbarn, die das ungewöhnliche Kommen und Gehen beobachten und sich dann melden. Will der Vermieter kündigen oder sogar Räumungsklage erheben, ist es allerdings nicht so leicht, wie man jetzt denken könnte.“

Wieso nicht? Der Fall ist doch eigentlich klar?

Anke Kötter: „Der Vermieter ist vor Gericht beweispflichtig dafür, dass die Wohnung zweckentfremdet wird. Er ist also zum Beispiel auf die Hilfe der Nachbarn angewiesen, die als Zeugen detailliert darstellen können, was sie im Bezug auf die Wohnung beobachten konnten. Bestenfalls sollten sie eine Art Protokoll führen“

Wie geht es dann weiter?

Anke Kötter: „Hat der Vermieter ausreichend Nachweise für ein derartiges vertragswidriges Verhalten der Mieter gesammelt, kann er außerordentlich, also fristlos kündigen und, sofern erforderlich, darauf aufbauend Räumungsklage erheben. Grundsätzlich muss einer solchen Kündigung für deren Wirksamkeit eine Abmahnung des Mieters durch den Vermieter vorgelagert sein. Ist das Fehlverhalten des Mieters aber so gravierend, dass eine vorherige Abmahnung für den Vermieter unzumutbar ist, kann ausnahmsweise darauf verzichtet werden. Das ist aber immer einzelfallabhängige Argumentationssache. Wenn irgendwie zumutbar, empfehlen wir den Vermietern daher meistens, vorher abzumahnen. Damit erspart man sich ein unnötiges Prozessrisiko vor Gericht.“

Abmahnung und Kündigung kann ich selbst verfassen und in den Briefkasten werfen?

Anke Kötter: „So etwas sollte schon sauber formuliert sein und je nach Expertise des Vermieters gegebenenfalls von einem Anwalt gemacht werden. Darüber hinaus ganz wichtig: die Übergabe der Abmahnung und auch der Kündigung beweisen zu können. Unsere Kanzlei arbeitet da in wichtigen Fällen mit einem Kurierdienst.“

Wenn Drogenhandel oder Prostitution in einer Wohnung stattfinden, ist es ja eher offensichtlich. Was aber passiert, wenn es sich um einen Mieter handelt, der die Wohnung zumüllen lässt?

Sven Fischer: „Ein großes Problem, ja. So etwas kann lange gutgehen, ohne dass es bemerkt wird. Meist kommt es ans Licht, wenn Handwerker oder Heizungsmonteure in die Wohnung müssen, bei einem Wasserschaden etwa.“

Anke Kötter: „Auch hier sollte man in der Regel zunächst abmahnen, danach gegebenenfalls kündigen und soweit erforderlich, Räumungsklage erheben. Wichtig ist allerdings, dass nicht jeder unordentliche Lebensstil eines Mieters, der dem Vermieter nicht gefällt, eine Kündigung rechtfertigt. Für eine Kündigung muss eine Vermüllung der Wohnung so weit gehen, dass die Substanz oder der Wert der Mietsache gefährdet sind; z.B. durch Gestank, Ungeziefer, Beschädigungen oder durch die Belästigung anderer Mieter.“

Könnte man nicht argumentieren mit „Gefahr in Verzug“, eigenständig räumen lassen und die Schlösser austauschen?

Anke Kötter: „Nein, das geht nicht. Einer Räumung vorgelagert werden muss immer eine Räumungsklage, mit welcher ein Urteil erwirkt wird. Erst aus dem Urteil kann dann eine Räumungsvollstreckung durch einen Gerichtsvollzieher eingeleitet werden. Der Vermieter darf niemals selber aktiv werden. Sonst macht er sich des Hausfriedensbruchs strafbar und der Mieter dürfte ihn auf Schadensersatz in Anspruch nehmen und könnte sogar verlangen, wieder in die Wohnung gelassen zu werden.“

Wir sprechen also von einem aufwendigen und länger andauernden Prozess?

Anke Kötter: „Das ist so, leider. Ein Verfahren von der Klageerhebung bis zur Räumungsvollstreckung dauert in der Regel zumindest mehrere Monate. Ein Vermieter, der über ein oder zwei Wohnungseinheiten verfügt, kann schnell mit den rechtlichen Dingen überfordert sein. Natürlich ist das noch mal etwas anderes als für große Wohnungsbaugesellschaften, die täglich mit den verschiedensten Problematiken zu tun haben.“

Und wenn der Mieter mit der Zahlung im Verzug ist?

Sven Fischer: „Wir versuchen es immer erst mit einem Gespräch zu lösen, außergerichtlich. Erst wenn das nicht hilft, ziehen wir Juristen hinzu.“

Anke Kötter: „Von unserer Seite wird der Mieter dann außergerichtlich zur Zahlung aufgefordert. Wenn das erfolglos bleibt, wird eine Klage oder ein gerichtliches Mahnverfahren eingeleitet. Darauf aufbauend muss erforderlichenfalls die Zwangsvollstreckung durchgeführt werden.“

Was kann ich also tun, um mich schon im Vorfeld zu schützen?

Anke Kötter: „Um sich vor zahlungsunfähigen Mietern zu schützen, unbedingt die Lohnauszüge vorlegen lassen, am besten mindestens die der letzten drei Monate. Auch andere Fakten lassen sich im Vorfeld klären, dazu gehört die Schufa-Auskunft.“

Sven Fischer: „Selbst wenn da nicht alles stimmt, kann man nachfragen – oft gibt es eine plausible Erklärung, warum jemand zu einem bestimmten Zeitpunkt seine Schulden nicht mehr zahlen konnte. Ich finde es wichtig, auf das eigene Gefühl zu hören, wenn sich jemand für eine zu vermietende Immobilie interessiert. Wie ist mein persönlicher Eindruck, ist es eher eine seriöse Anfrage oder macht sich Unbehagen breit? Außerdem interessant, ob beide unterschreiben, wenn ein Paar die Wohnung anmieten will. Wird darauf bestanden, dass nur einer den Vertrag eingehen will, werden wir hellhörig.“

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